Sehr geehrte Frau Welge,
sehr geehrter Herr Werneke,
sehr geehrte Frau Finnern,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen und Beschäftigten im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst,
am 27. und 28. März 2023 treffen Sie sich zur dritten und vorerst letzten Verhandlungsrunde für den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD), der auch für die Angestellten in kommunalen KiTas gilt.
In einem stark ritualisierten Prozess haben Sie sich in den vergangenen Runden am 24.01. und 22./23.02.2023 nicht einigen können – außer Unzufriedenheit und gegenseitigen Beschuldigungen gab es kein Ergebnis.
Es fanden bereits flächendeckend mehrere Warnstreiks statt – in München im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst bereits drei Mal: am 1., 8. und 21. März.
Für uns Eltern bedeutet dieser sehr lange – und scheinbar nicht enden wollende – Tarifkonflikt Stress und ein permanentes Unsicherheitsgefühl, nicht zuletzt, weil die Streiks zumeist auch sehr kurzfristig angesetzt werden. Die Gewerkschaften wollen mittels Warnstreiks ein Zeichen setzen und ihren Forderungen Nachdruck verleihen – unter dem Narrativ, den Arbeitgebern gegenüber Druck aufzubauen und ihre Macht zu demonstrieren. Aber die eigentlichen Leidtragenden dieser überkommenen Rituale sind nicht die Kitaträger, sondern wir, die Familien! Wir erhalten an Streiktagen keine Betreuungsleistung, wir müssen unser Leben an diesen Tagen auf den Kopf stellen, unsere Kinder werden aus ihren gewohnten – und für sie so wichtigen – Alltagsritualen gezerrt, wir erhalten keine Betreuungsleistung, obwohl wir auch an Streiktagen Kitagebühren zahlen müssen.
Es ist unverantwortlich, dass in dieser Gesellschaft auf das Wohl der Kinder und der Familien so wenig Rücksicht genommen wird, auch von den Gewerkschaften. Es ist vor allem für kleine Kinder nicht leicht, eine Ersatzbetreuung zu besorgen, weil man Krippenkinder nicht einfach an „irgendjemanden“ abgeben kann – und gerade in Großstädten keine traditionellen, multigenerationalen Familienstrukturen mehr existieren. Für viele Familien mit Schulkindern, gerade solchen mit geringeren Ressourcen, bedeutet ein Streiktag keine Hausaufgabenbetreuung für die Kinder, obwohl diese sie dringend benötigen. Darüber hinaus empfinden berufstätige Eltern massiv Stress, der zum Teil auch von den eigenen Arbeitgebern verstärkt wird.
Ein den Stress und die Unsicherheit verstärkender Faktor ist des Weiteren die Aufteilung der Arbeitsregelungen für den öffentlichen Sozial- und Erziehungsdienst auf zwei Tarifverträge, die zu unterschiedlichen Zeiten, jeweils im typischen „Vollritual“ mit lang gestreckter Verhandlungszeit und Warnstreiks, verhandelt werden und dazu führen, dass wir mittlerweile alle paar Monate Tarifkonflikte haben.
Der Kommunale Arbeitgeberverband wird seiner Verantwortung den Familien gegenüber ebensowenig gerecht! Sie kennen das eingeübte Verhaltensrepertoire der Gewerkschaften sehr genau und „pokern“ dennoch stets mindestens bis zur letzten Verhandlungsrunde mit der Vorlage eines für die Arbeitnehmerseite adäquaten Angebots – darüber hinaus tragen Sie nicht zur Reduktion der Unsicherheit bei, so dass wir Eltern weiterhin die Eskalation hin bis zu tagelangen Streiks, die monatelang aufkommen können, befürchten müssen.Obwohl wir bspw. im 3. Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahresquartal laut Destatis einen Reallohnrückgang in Höhe von 5,7 % hatten, legen Sie nicht-inflationsausgleichende Gehaltsvorschläge vor, von denen Sie wissen, dass sie nicht akzeptiert werden – und nehmen damit sehenden Auges weitere Arbeitsniederlegungen in Kauf, trotz der oben beschriebenen massiven Konsequenzen für unser Familienleben!
Auch die KiTa-Träger beklagen zurecht den Fachkräftemangel im Erziehungswesen und schöpfen dennoch nicht alle Instrumente aus, diesen zu beheben! Die KiTa-Beschäftigten brauchen nicht nur ein auskömmliches und auch wettbewerbsfähiges Entgelt, sondern auch eine positive Gehaltsentwicklung ohne schleichende Entwertung! Die in Tarifverträgen ausgehandelten Arbeitsbedingungen bedingen auch die Attraktivität dieses Berufsbilds und haben Auswirkungen auf das Arbeitsangebot. Gestresste und unzufriedene KiTa-Mitarbeiterinnen haben direkte Effekte auf die Betreuungs- und Bildungsqualität unserer Kinder und das Kindswohl.
Wir appellieren daher an die Tarifparteien, die letzte Verhandlungsrunde zu einer Einigung zu nutzen! Denken Sie immer daran, die Leidtragenden sind nicht Sie, das sind wir Familien und unsere Kinder!
Wir bitten Sie, es nicht zu einer Verlängerung der Unsicherheit kommen zu lassen. Wenn Sie sich am 27. und 28. März 2023 nicht einigen, dann kann es über Wochen oder Monate zu tagelangen Arbeitsniederlegungen, massiven volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden und negativen Auswirkungen auf die Betreuung und Bildung unserer Kinder kommen! Des Weiteren regen wir an, künftig Mechanismen zu entwickeln, die nicht wieder zu Streiks führen müssen, zum Beispiel eine automatische Regelung der Gehaltsanpassung, die Inflationsrate des Vorjahres + X%, die dann nicht mehr ständig verhandelt werden müssen.
Wir wünschen Ihnen konstruktive und erfolgreiche Gespräche und vertrauen auf Ihr Verantwortungsgefühl,
herzliche Grüße aus München,
die Gemeinsamen KiTa-Elternbeiräte der Landeshauptstadt München
GEbKri – GKB – GEBHT